Väter wollen für Kinder sorgen
Demonstration gegen Umgangsvereitelung in Straßburg macht auf deutsche Rechtslage aufmerksam


Offenburger Tagblatt vom 08.08.02

In Deutschlandwerden pro Jahr knapp 200 000 Ehen geschieden. Kinder sind die Leidtragenden. Sie wachsen oft nur mit einem Elternteil auf - und das nicht, weil Väter sich aus der Erziehung stehlen. Gerade sie pochen auf ihr Umgangsrecht. Morgen demonstrieren sie gegen die deutsche Gesetzgebung in Straßburg.


Von Peter Schwab


Offenburg. Die vier Kinder von Wolf Strehblow haben gleichermaßen Kontakt zu Vater und Mutter. Das ist nicht selbstverständlich, die Eltern des Quartetts sind geschieden. Die zwei älteren leben bei Strehblow, die zwei jüngeren bei der Mutter im selben Kaiserstuhldorf. »Ich habe mich mit meiner Ex-Frau so geeinigt, dass wir für unsere Kinder immer eine offene Tür haben«, sagt der Vater, der 2000 vor dem Scheidungsrichter die 18 Jahre währende Ehe beenden ließ.


Strehblow setzt sich für die Rechte von Vätern ein, ihre Kinder ebenso sehen und begleiten zu dürfen, wie die Mütter. Er ist Ansprechpartner des Vereins »Väteraufbruch für Kinder« für die Region um Freiburg. Seit 1989 kümmert sich die Initiative um Männer, denen das Sorgerecht für ihre Kinder fehlt. 30 Mitglieder zählt der Verein in Freiburg, bundesweit haben sich 1700 Menschen der Organisation angeschlossen - darunter im Sorgerechtsstreit unterlegene Mütter.


Das Ziel heißt »50/50 Doppelresidenz«. Statt nur einem Elternteil, meist der Mutter, das Sorgerecht zu geben, sollen sich geschiedene Eltern die Verantwortung teilen. Dazu kommt die Verpflichtung beider Elternteile, möglichst nahe beim Kind zu leben.


Strehblow räumt im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse ein, dass dafür die Voraussetzungen in Deutschland noch fehlen. Teilzeitjobs bieten allenfalls im öffentlichen Dienst Grundlage für beiderseitige Kinderverantwortung. In der freien Wirtschaft fehlen sie oft ganz. Das erschwert Müttern den Einstieg in den Beruf und hält Väter von der Erziehung ab. Die Fifty-Fifty-Aufteilung beschränkt Niederlassungsfreiheit und Jobchancen der Eltern -zugunsten des gewohnten Lebensumfelds für die Kinder.
Deshalb hat Strehblow einen attraktiven Job in London ausgeschlagen. Die Auseinandersetzungen vor dem Scheidungsrichter schob er beiseite und vereinbarte mit Ex-Frau und Kindern, wie das getrennte Zusammenleben aussehen soll - was nicht bei jedem Scheidungspaardenkbar ist.
Der Eheknatsch lässt den Sorgeberechtigten Kinder als Faustpfandmissbrauchen. Ein anderer Vater hat seit zwei Jahren seine Tochter nicht mehr gesehen. Offenbar hatte die Mutter dem Kind eingeredet, dass der 38-Jährige die Kleine nicht mehr nach Hause bringen werde. Der Kontakt brach ab. Darunter leidet nicht nur der Vater, auch die Großeltern würden ihre Enkel gerne sehen.


In Straßburg sollen sich morgen zwischen 13 und 16 Uhr vor demEuropäischen Gerichtshof für Menschenrechte die Betroffenenversammeln. Die Initiative »Kinder haben ein Recht auf Vater undMutter« veranstaltet mit dem »Väteraufbruch« und einerSchweizer Gruppe die Kundgebung, bei der hundert Demonstrantenerwartet werden - auch aus der Ortenau. In einem Brief anBundeskanzler Gerhard Schröder sprechen sie vonMenschenrechtsverletzungen. Im Vergleich zu anderen Ländern hinkeDeutschland der Entwicklung hinterher.

@http://www.strasbourg-initiative.eu.tf
Mailkontakt: beute-kind@web.de


 

Kinder haben einRecht auf Mutter und Vater - selbst nach der Scheidung, betonen Initiativgruppen.      Foto:Ulrich Marx


 

Ansymbolträchtiger Stelle vor dem Europäischen Gerichtshof fürMenschenrechte demonstrieren am Freitag Väter und Mütter, denender Umgang mit ihren Kindern verwehrt wird.    Foto: Archiv


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